Das heutige Bild zeigt etwas, was es nicht mehr gibt. Früher hat Meuer seine Kohle wirklich mit Kohle gemacht, – mit Kohle und Heizöl. Der Platz zur Gotenstraße hin diente als Lager. In der Einfahrt zur Königsteiner Straße gab es eine funktionsfähige Waage zum Wiegen der Lastwagen. Heute macht Meuer seine Kohle mit Immobilien.
Die Uhr neben der Eingangstür ist die einzige, die auf der Königsteiner Straße auch heute noch die Zeit anzeigt. Sie ist erst vor ein paar Jahren aufgearbeitet worden und im Vergleich zu früheren Jahrzehnten heute viel verlässlicher.
In der Nähe einkaufen, das war einmal eine Idee. Heute stehen diese Ladengeschäfte leer. Zuletzt befanden sich hier ein kleines Postverteilzentrum und ein Friseur. Auch der evangelische Kindergarten ist vor ein paar Jahren ausgezogen. Schon etwas länger ist es her, dass sich in diesen Räumen die Geschäftsstelle eines Sportvereins befand, der das Wort „Olympisch” in seinem Namen trug. Die evangelische Kirche spiegelt sich in einer der Scheiben.
In Unterliederbach kann man Einkaufen. Manches zumindest. In diesem Jahr, ich schreibe über das Jahr 2015, habe ich zum ersten mal Wolle gekauft. Eine Bekannte brauchte welche, und ich habe lauthals getönt, dass ich es nicht weit bis zum nächsten Wollgeschäft hätte. Vorher hatte ich immer nur gestaunt, dass es diesen Laden in Unterliederbach überhaupt gibt.
Früher gab es auf der Königsteiner eine viel größere Auswahl an Geschäften, ja, auf der Königsteiner und einigen der Seitenstraßen konnte man sich einkleiden, bekam Teile für die Rennbahn und konnte seine Bilder rahmen lassen. Dabei muss man „früher” relativieren. Ich habe Unterliederbach erstmals 1983 betreten, davor hatte ich es nur mit dem Auto oder dem Motorrad durchquert.
In Frankfurt am Main Unterliederbach lässt es sich schön wohnen, im Vogelviertel zum Beispiel. Hier entstanden in der Nähe der Häuschen, die von den Farbwerken Hoechst einst für verdiente Arbeiter vorgesehen waren, dem „Heimchen”, repräsentative Bauten, die auch heute noch Eindruck machen.
Farbwerke Hoechst war schon immer ein umgangssprachlicher Begriff, der früh Verwendung fand. Aus der Theerfarbenfabrik Meister Lucius & Co wurde 1865 die Farbwerke Meister Lucius & Brüning. Nach der Umwandlung in eine AG wurde die Firma 1880 in Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning AG umbenannt. 1925 gingen die Farbwerke in die IG-Farbenindustrie AG auf.
Nach der Liquidation der IG-Farbenindustrie AG lautete der Firmenname dann Farbwerke Hoechst AG vorm. Meister Lucius & Brüning. 1974 wurde der Name zu Hoechst Aktiengesellschaft vereinfacht.
Der Herbst bringt Farbe, Maler und Verputzer bringen Farbe. An diesem Bild haben alle mitgewirkt, der Herbst und Maler und Verputzer. Der Häuserblock steht in einer Siedlung, wie sie in Unterliederbach Ende der fünfziger Jahre und Anfang der sechziger Jahre an verschiedenen Stellen errichtet wurden, – preiswerter Wohnraum musste her, Flüchtlinge mussten untergebracht werden.
Unterliederbach und der Herbst passen gut zusammen. Nicht grau und diesig, sondern bunt und Laune machend präsentiert sich das Paar. Hier schauen wir, – ja, wo schauen wir hier denn?
Der Standpunkt ist die Fußgängerbrücke über den Liederbach in der Höhe des Wilhelm-Roser-Weges, und der Blick geht bachabwärts. Der 01. November 2015 ist ein sonniger Tag. Auf den Bänken entlang des Philosphenweges lässt es sich gut aushalten, wie ein junges Paar am rechten Bildrand zeigt.
So sieht im Herbst 2015 der Abschluss der Unterliederbacher Parkstadt nach Westen hin aus. Der Hortensienring, hier schaut man auf die Gebäuderückseiten, zeigt eine geschlossene Bebauung. Innerhalb der Parkstadt wird allerdings noch gebaut, wie ein Baukran zeigt. In diesem Teil Frankfurts haben viele Menschen ein neues Zuhause gefunden. An Infrastruktur mangelt es allerdings. Besonders auffällig ist, dass in Zeiten, in denen die Grünen den Planungsdezernenten stellen, ein Wohngebiet ohne durchdachte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr entstanden ist, in welchem die Bewohner auf das Auto angewiesen sind.
Die Zaubernuss, botanisch Hamamelis, ist eine Pflanzengattung mit nur fünf Arten, von denen drei im östlichen Nordamerika und zwei im östlichen Asien vorkommen. Die Virginische Zaubernuss blüht im Herbst, die anderen Arten können bereits im Winter blühen. Der Zaubernussplatz liegt im Westen von Frankfurt am Main Unterliederbach. Der Blick geht über den Platz in Richtung des ersten Bauabschnitts der „Blumenwiese”. Er wird genutzt. Der untere Bildbereich zeigt dies deutlich. Kreidespuren stören das in Grau gehaltene Gesamtbild des Platzes. Diejenigen, die den Platz gestaltet haben, mögen Hochtrabendes im Sinn gehabt haben, aber der Zaubernussplatz ist weder praktisch noch einladend, – gräulich ist das passende Adjektiv.
Steinig ist das Bett des Liederbachs. Der Liederbach ist mal wieder trocken gefallen. Hier bei der Kneiselsmühle, einer Straße in Frankfurt am Main Unterliederbach nördlich der Autobahn A 66, gab es tatsächlich einmal eine Mühle. Ein paar Meter bachabwärts wird deutlich, warum der Liederbach im Bereich des Ortskerns doch ein wenig Wasser führt: Der Einlass links unten im unteren Bild ist die wahre Quelle des Liederbachs. Vergesst Reichenbach und Rombach, vergesst den Inhalt irgendwelcher Enzyklopädien, die Quelle liegt in Unterliederbach – oder?
Frankfurt am Main Unterliederbach
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